Das werte Befinden

Das werte Befinden – Nachrichten aus dem Alltag, ist ein Sammelsurium an Gedanken und Erlebnissen, die ich über die Jahre in meinen Skizzenbüchern zusammen getragen habe. Das werte Befinden gibt es nun auch als Buch. 92 Seiten | Schweizer Broschur | mit 38 Texten und Illustrationen.

Darstellung eines Buchcovers mit einem Menschen, dem Vögel aus dem Kopf fliegen

Inhalt: Alltag – das ist die tägliche Routine, der Weg zur Arbeit, arbeiten, Mittagspause, heimfahren, kochen, essen, Sport, schlafen und morgen das Gleiche wieder. In diesem Alltagstrott begegnet mir immer wieder ein Funkeln, das die Routine durchbricht: Ein Gespräch mit Freundinnen, bei dem ich etwas Essenzielles verstehe. Eine Erkenntnis zu einem Problem, über das ich lange nachgedacht habe. Ein skurriler Einfall, der mich fröhlich stimmt. Eine Beobachtung, die mich einsichtig werden lässt. Von diesem Funkeln handelt „Das werte Befinden – Nachrichten aus dem Alltag“.
Da geht es zum Beispiel um Clara, die unsichtbares Gerümpel durch die Zeit zerrt; um Meerwasser, das salzig in den Achseln klebt; um Gedanken, die linear, spiralförmig oder stürmisch sind; um Sonderlinge und um Wangennähe.

Illustration eines schwarzen Körpers in dem Segelboote nach unten gleiten.

Strandgut
Die Erinnerungen schwimmen Booten gleich in der schwülen Mittagssonne. Wartend schaukeln sie, gebunden an die Mole. Die Wanten singen Lieder in den Nachmittag. Zur Abendröte lichten sich die Anker. Lautlos, leise, stumm gleiten die Boote auf das offene Meer. Ein letztes Mal glänzen sie weiß in der Sonne ehe sie das Blau verschluckt. Weiteres Strandgut in der tiefen Ewigkeit meines Bewusstseins.

Illustration einer Frau beim meditieren. Das Universum strahlt aus ihrem Herzen.

Vier Augen
Hinter der Dunkelheit meiner Lider gibt es ein zweites Augenpaar. Sie sind immer wach. Sie blicken tief in mich hinein und weit – in die Unendlichkeit – hinaus.

Illustration von zwei Personen die miteinander sprechen.

Hinhören
Wir sitzen auf einem Balkon. Du erzählst. Ich höre hin. Unter deinen Sätzen hängen lautlos Worte. Du erzählst. Ich erwidere wenig. Wir betreten diesen Zwischenraum. Ein Raum, in dem deine blinden Flecken und Verletzlichkeiten wohnen. Ich fühle hin, an diesen Raum, an dich. Ich horche, auf das, was unter der Dramatik des Erzählten leise mitschwingt.

Illustration eines Hauses in einem Glas. Eher trübe Stimmung

Grau
Die Fenster sind geschlossen, die Vorhänge zugezogen. Im Innern ist es grau und neblig, die Außenwelt erscheint mir wie mein Inneres, düster und fremd.

Illustration eines Baumes, Mond und Meer.

Wetterseite
Der Mond am Himmel, die Wetterseite des Baumes neigt sich zu den Bergen, die Sonnenseite mit ihren langen wohlgeformten Ästen zum Meer. Meine Wetterseite hat auch kurze, verhunakelte, eigenwillige Äste.

Illustration einer Welt in einem Glas, ein Schiff fährt auf es zu.

Zwischenwelt
Zwischenwelt. Die alte Heimat fühlt sich fremd an. Die neue auch.

Ich lebe
Zwischen Welten.

Jetzt
Auch gestern
Und morgen.

Das Schiff im Hafen
Draußen
Das Meer.

Ich da
Zwischen Welten
Raue See.

Illustration einer Frau mit roten Haaren in einer bunten Welt.

Ahnungslosigkeit
In der Betriebsamkeit meines Lebens beschleicht mich immer mal wieder das Gefühl völliger Ahnungslosigkeit. Totales Nichtwissen. Dann beobachte ich all die anderen Menschen in ihrem Tun und machen, in ihrem Fühlen und Denken. Wissen sie was sie tun? Oder sind sie in der Tiefe genauso ahnungslos wie ich?

Illustration eines Jungens mit schwarzer Haube.

Marie
Marie hätte so unglaublich gerne ein Mädchen zur Welt gebracht. Es wurde ein Junge. Der Wunsch nach einem Mädchen war hungrig. Marie stillte diesen riesen Hunger, sie zog ihrem Sohn die schönsten Kleider an und kaufte ihm kleine hellblaue Glasohrringe. Er war ihre kleine Prinzessin. Wehrlos und süß.
Marie starb als er 25 war. Und doch lebt sie noch, tief unten im verborgenen bezog sie mit ihrer kleinen Prinzessin eine Kammer. Von dort aus lenkt sie mit unsichtbaren Fäden das Leben ihres Sohnes, der eigentlich ein Mädchen hätte werden sollen.

Illustration von einem Kopf mit einem Haus.

Speicher
Sind Erinnerungen auch Gedanken? Oder sind die Gedanken nur die Türen zu meinem Erinnerungsspeicher? Aus dem, sofern geöffnet sich die Erinnerungen in Form von Bildern, Gerüchen, Farben… bunt ins Freie ergießen. Wahrscheinlich ja und nein.

Der Spiegel
Es ist der Sommer, in dem sie sich in Ben verliebt. Es sind diese Momente in denen sie auf ihn zugeht. Und er abhaut. Es sind die heißen, schwitzigen Tage am kroatischen Strand an denen sie „Ich will… dich!“ ruft, und das Wollen im Gegenüber lautlos verhallt. Es ist diese Tränen getränkte Zeit voller Zurückweisung und Kummer. Es sind diese Tage die zäh wie Honig, nicht enden wollend durch die Gegend kriechen. —
Es ist dieser Abend, an dem sie leer am Strand liegt und in den Himmel starrt. Es ist der Moment in dem sie zum Spiegel wird. Der Himmel, die Sterne, das Blau, das Meer, die Kiesel, der Sand, die Wellen. Groß im Außen, klein im Innern. Sie ist dort oben und hier unten, Alles, gleichzeitig, der Himmel im Herzen.

Gedankensturm:
ein Gedankengehege wird (unabsichtlich) geöffnet. Die Gedanken fliegen, kreischenden Vögeln gleich, im Kopf herum. Die Stimmung ist erst aufgedreht, dann meistens am Boden.

Spiralförmige Gedanken:
dumpf rumoren diese Gedanken im Bauch. Langsam bewegen sie sich nach oben. Drehen sich immer klarer werdend in den Kopf hinein.
Auf die Dumpfheit im Bauch folgt eine Erkenntnis im Kopf. (Manchmal) langwierig aber angenehm erhellend.

Lineare Gedanken:
der Gedanke fängt bei A an und hört bei B auf. Am Anfang steht eine Überlegung am Ende eine Lösung. Angenehm. Wie rechnen, wenn man es kann.

Kreisförmige Gedanken:
diese Gedanken fangen bei A an und hören bei A auf. Ewig dreht sich der Gedanke um sich selbst und findet keinen Ausgang. Mühsam.

Sonderling
Karl-Heinz der Käfer war immer schon ein Sonderling. Die anderen Käfer finden ihn seltsam, er findet das nicht.

Aquarium
Emil sagt, das Haus in dem er wohnt ist fast schwarz und nachts leuchten die Menschen in den Fenstern, wie Fische im Aquarium.

Wangennähe
Du bewegst mich, ich bewege dich.
Wir tanzen ganz nah, Wange an Wange, bis alle Geschenke ausgepackt sind.
Dann nehme ich die Reste der meinen und du die Reste der deinen. Du gehst in deine Himmelsrichtung und ich in meine. Unklar bleibt ob wir uns nochmal in Wangennähe begegnen werden.

Illustration eines Ufos

Unbekanntes Flugobjekt
Die Tulpen neigen sanft die Köpfe, es rauscht der Geschirrspüler in der Küche, der Kühlschrank brummt seine monotone Melodie. Die Zeit fließt langsam über seine Zehen durch die Küche in den Flur, durch die Haustür ergießt sie sich ins Freie.
Seltsam gleichförmig und ruhig – ein unbekanntes Flugobjekt ohne Zukunft noch Vergangenheit – strömt er mit, durch die Küche in den Flur, durch die Haustür, raus ins Freie in die Fremdheit.

Illustration einer Mutter die ihr Kind umarmt

Mama
Mama, ich würde dich sehr gerne einmal wieder umarmen, durch die Umarmung in deinen Raum fallen und dort ein wenig verweilen.

Illustration Ninjamönch

Zwei Typen
Der Podcast FEST & FLAUSCHIG hat mich dazu motiviert einen Ninjamönch zu illustrieren. Oder: in mir gibt es einen, der will immer rangeln und ein anderer will immer saufen. Es ist lustig wenn die da sind. Sobald sie weg sind wird es übel. Mit Kater kriecht man durch den Tag und kennt sich nicht mehr aus.

Illustration von einem Mann der auf dem Zeigefinger einen Handstand macht

Arnold
Arnold steht immer in der Ecke der Sittlichkeit, des guten Benehmens und der geregelten Verhaltensweisen. Seine Handlungsprinzipien versteinern ihn so sehr, dass er nur noch seinen Zeigefinger bewegen kann. Mit diesem zeigt er auf die anderen. Dies macht man nicht, das gehört sich nicht und das lässt man lieber bleiben. Noch schlimmer als manch Erwachsener findet Arnold die Kinder, die haben gar kein Benehmen.
Arnold ist brav, gehorsam, zahm, gefügig, leise, vorbildlich, gewissenhaft, ordentlich, tüchtig, artig. Arnold ist anständig, überanständig und traurig.
Es ist ein Wunsch, der seine Traurigkeit speist, ein Wunsch der schwerer und schwerer wiegt, je länger er von Arnold im verborgenen gehalten wird.

„Einmal nur, ach ich würde so gerne, was denken dann die anderen von mir? Aber, ja stimmt, dass bin ja nicht ich, ich könnte doch, nein ich lasse es lieber, wenn mich dabei jemand sieht…“

Die Gedanken mäandern durch Arnold, sie lassen ihn nicht in Ruhe, bis er es eines Tages einfach tut. Arnold Anstand macht einen Handstand.

Illustration eines quadrats

Glotzen
Vom vielen aufs Mobiltelefon glotzen ist mein Sichtfeld auf die Größe des Bildschirms geschrumpft. Und mein Inneres auch irgendwie.

Illustration eines Auges

Alles geht vorbei
„…das schöne am Leben ist ja, alles geht vorbei. Alles hat ein Ende, die schlechten Tage gehen vorbei, die Guten leider auch. Alles fließt und am Ende wird alles gut sein und wir werden alle sterben, aber bis dahin geht alles vorbei, alles fließt…“ das grüne Auge sinniert über das Leben, blinzelt nachdenklich in die Sonne und trippelt wieder zurück in den Wald.

Illustration Mann im Frack

Viruszeit
Schick ist Karl, mit Frack und Fliege. Die Rollen sind poliert, es ist Montag, Arbeit wartet. Karl rollt heute nirgendwo hin. Es ist Viruszeit.

Illustration von Vögeln in Boxen

Blind
Sie krochen in die Boxen und vergaßen, dass sie Vögel waren. Gierig recken sie nun ihre Hälse zum Himmel. Einmal, einmal nur einen Stern erhaschen. Einmal, einmal nur wissen wie sich Fliegen anfühlt.

Illustration einer Kirche und Blumen mit Menschen darum

Erregung öffentlicher Freude
Die Menschen waren Zuhause, die Augen viereckig vom vielen Nachrichten lesen, die Herzen schwer vor Angst.
Unterdessen schälte sich am menschenleeren Kirchplatz leise etwas Großes aus der Erde. Zwei Wochen hatte sie niemand bemerk, zwei Wochen war es in den Menschen so laut, dass sie nichts mehr sehen und hören konnten. Die Erregung öffentlicher Freude war grenzenlos als die baumhohen, wild duftenden Blumen entdeckt wurden. Wer hätte gedacht, dass das so endet.

Illustration eines Vogels mit einem schweren Rucksack

Gerümpel
„Wer trägt die Schuld?“, fragt die Mutter. „Ich, ich nehme die.“ antwortet Clara. „Und die Traurigkeit?“, fragt der Vater. „Die nehme ich auch, ich habe ja einen großen Rucksack, da passt alles rein.“ „Wer kümmert sich um mich?“, fragt die Schwester. „Ich, ich mache das.“, ein kleines Kümmern passt auf jede Schulter. „Wer nimmt die Geheimnisse, die unter dem Teppich warten?“, fragt die Oma. „Ich nehme die Geheimnisse, sind ja klein.“, ruft Clara. „Und die Erinnerungen an den Krieg, wer nimmt die?“, fragt der Opa. „Ich nehme die Erinnerungen. Sie sind schwer, aber ich bin ja stark und jung.“ An einem sonnigen Sonntag Vormittag tritt Clara durch die Haustüre in die Welt.

An einem anderen Sonntag denkt Clara beiläufig: „heute wiegt etwas besonders schwer, es ist als zerre ich unsichtbares Gerümpel durch die Zeit.“

Illustration einer Frau am Strand

Erinnerungen an den Sommer
Weichen, großen Tatzen gleich streckt das Festland seine Arme in den Ozean. An den Hügeln wachsen Reih in Reih die Häuser dem Himmel bunt entgegen. Der Oleander blüht baumhoch in den Gassen und das Meer klebt salzig in den Buchten, in den Achseln.

Illustration einer Flunder

Sinnlosigkeit
Im Bad empfing mich heute Morgen diese Sinnlosigkeit.
Es ist diese Art von Sinnlosigkeit, die sich wie ein nasser, übelriechender Mantel um deine Schultern legt. Alles was man sieht, tut oder spricht erscheint ergraut, banal. Alles sinnlos und banal. So schleppt man sich durch den Tag und hofft die Nacht möge einen von diesem außerordentlich sinnlosen Leiden befreien.

Illustration einer Zitrone in der ein Mensch liegt

Lemon Tree
Frieda ist Künstlerin. Frieda ist oft allein. Allein im Atelier. Allein daheim. Frieda sieht Menschen beim einkaufen oder spazieren gehen. Sie sieht sie aber sie trifft die Menschen nicht. Frieda ist innen, die Menschen außen.

Leise formen die Gedanken Welten, bilden Meinungen und Träume. Sie strömen in den Kopf, in die Glieder. Sie erklären, diskutieren, beraten, hinterfragen und verhandeln. Sie rufen Gefühle aus den tiefsten Kellern. Ein unsichtbares Geflecht dringt ins Hirn, ins Herzen.

Verloren hängt Frieda im inneren Gestrüpp. Der Notausgang ist ein Gegenüber.

Seit die Ausgangsbeschränkungen in Kraft getreten sind muss ich dauernd an Fools Garden Lemon tree denken…

Illustration saugende Laus

Gurkenmosaikvirus
Mit meiner Lieblingsgärtnerin sprach ich gestern über den Gurkenmosaikvirus: „…der Virus befällt die Pflanze aber nur so, dass sie gerade noch überlebt. Sie produziert dann nur noch minikleine, verschrumpelte Gurken. Furchtbar. Und dann, dann kommt die scheiß Laus, saugt die Gurkenpflanze an und verbreitet den Gurkenmosaikvirus im ganzen Gewächshaus…“ Lasst uns nicht die Läuse sein.

Illustration überlegende Person

Verschwörung
„Mh, einen natürlichen Ursprung kann dieses covid19 nicht haben. Andi sagt das war Amazon, damit die Verkaufszahlen steigen. Paula meint es waren die Amerikaner die das Virus frei gelassen haben. Sven meint es waren die Pharmafirmen und Virologen, die wollen verdienen und auch mal im Rampenlicht stehen. Bill Gates hat auch mal jemand erwähnt, aber ich weiß die Geschichte dahinter nicht mehr und 5G Netze helfen bei der Verbreitung von Corona sagt Mama. Mh, oder waren es vielleicht die Illuminaten…?“ Und alle ihre Freunde haben eine sichere Quelle haben sie gesagt.

Illustration eines Kopfes mit Beinen

Wird schon passen
Die Sonne scheint, es ist ein herrlicher Frühlingstag. Er zieht seine gestreiften Lieblingssocken an, dazu die feinen, neuen Turnschuhe. Seine Haare sind schön gekämmt, die schicke Brille darf natürlich auch nicht fehlen. „Es ist ja nur ein kleiner Spaziergang in den Park, so schlimm wird das schon nicht sein wenn ich ein wenig unter Menschen gehe, außerdem würde mir das gut tun und die Videos, die mir ein Kollege geschickt hat sagen ja auch, dass dieses Virus gar nicht so gefährlich ist wie alle Medien sagen. Wird schon passen.“
Ein letzter Blick in den Spiegel, Türe zu. Im Park trifft er ein paar Freunde, es wird geschwatzt und gelacht. Ein herrlicher Frühlingstag ist das heute.
Drei Wochen später sind drei seiner Freunde krank. Einer wird sterben. Ratlosigkeit. Er fragt sich immer wieder wie das passieren konnte und findet keine Antwort.

Illustration roter Hefeteig

Hefeteig
An manchen Tagen fühle ich mich wie ein dicker, runder Hefeteig. Ich würde mich am liebsten in einer warmen Ecke ablegen und vor mich hin gehen.

Illustration eines Menschen dem Gedanken aus dem Kopf wachsen

Gedanken
Brot, Käse, Rotkehlchen, Virus, Frühling, Corona, Schnaps, Ladekabel, Klopapier, Corona Virus, Tulpen, Pflanzen, Bäume, Altpapier, Virus, Quarantäne, Nudeln, Tomaten, Italien, Pizza, Brot, Reibekäse, Mozzarella, Basilikum, Virus, Corona, Bier, mein Teppich riecht komisch… meine Gedanken sind überall, nur nicht dort wo sie sein sollten.